In einer Reihe privater, streng geheimer Vorlesungen in San Francisco hat der Milliardär und Tech-Investor Peter Thiel seine radikalen Ansichten über Technologie, Religion und die Zukunft der Menschheit dargelegt. Die Washington Post hat Audioaufnahmen ausgewertet.
Wie aus den geleakten Audioaufnahmen hervorgeht, verbindet Thiel seine libertären Überzeugungen mit einer apokalyptischen Weltsicht, in der Technologiekritiker und Befürworter von Regulierung kurzerhand zu „Legionären des Antichristen“ erklärt werden.
Thiel, ein selbsternannter Christ, interpretiert die biblische Figur des Antichristen nicht als einen Wissenschaftler im Stil von „Dr. Strangelove“, sondern als jemanden, der den wissenschaftlichen Fortschritt aufhalten will. Und das gäbe es mit aller Kraft zu bekämpfen. In seiner Eröffnungsrede am 15. September sagte er demnach:
„In the 17th, 18th century, the Antichrist would have been a Dr. Strangelove, a scientist who did all this sort of evil crazy science. In the 21st century, the Antichrist is a Luddite who wants to stop all science. It’s someone like Greta or Eliezer.“
Er bezeichnete damit die Klimaaktivistin Greta Thunberg und den KI-Kritiker Eliezer Yudkowsky als jene, die eine Ära der totalitären globalen Herrschaft und Zerstörung der Vereinigten Staaten einläuten könnten, indem sie die Entwicklung von Technologie begrenzen. Und erklärt sie damit kurzerhand zu Staatsfeinden.
Technologie als Religion
Thiel argumentierte in den viertägigen Vorlesungen, dass eine rein rationale Argumentation nicht ausreiche, um sich dem wachsenden globalen Regelwerk zu widersetzen. Nur ein religiöses Argument könne die notwendige Stärke für Widerstand schaffen.
“There are a lot of rational reasons I can give why the one-world state’s a bad idea: Turn the planet into a prison; I think the tax rates would be very high. But I think if you strip it from the biblical context, you will never find it scary enough. You will never really resist.”
Peter Thiel glaubt, dass die Welt auf eine globale Einheitsregierung zusteuert, die letztendlich von einer Figur wie dem Antichristen kontrolliert werden könnte. Er sieht in Finanzvorschriften, die es schwieriger machen, Geld zu verstecken, ein frühes Zeichen für diese Entwicklung. Solche Gesetze seien der erste Schritt zu einem Überwachungsstaat, der die Menschen vollständig kontrollieren würde. Was er damit meint ist, dass jeder, der sich den Tech-Bros in den Weg stellt ein Feind sei und dreht damit die Fakten um.
Tech-Giganten und der Glaube
Thiels Vorlesungen, organisiert von der ACTS 17 Collective (Anerkennung Christi in Technologie und Gesellschaft), zeigen eine wachsende Präsenz einer Pseudo-Religiosität in einflussreichen Tech-Kreisen, die traditionell eher säkular geprägt waren. Die Organisation wurde von Michelle Stephens gegründet, der Ehefrau von Trae Stephens, einem Investor bei Thiels Risikokapitalfirma Founders Fund.
Interessanterweise beurteilte Thiel auch andere prominente Persönlichkeiten. Während er den Microsoft-Mitbegründer Bill Gates als „very, very awful person“ bezeichnete, hatte er freundlichere Worte für Tesla-CEO Elon Musk, den er als einen der „smarter, more thoughtful people“ bezeichnete, die er kennt.
Die Vorlesungen waren offiziell „off-the-record“, eine Einschränkung, die Thiel als „pretty good marketing shtick“ bezeichnete, um die Aufmerksamkeit zu steigern. Unabhängig von den Absichten hat die Enthüllung lösen seine irren Aussagen seit längerem eine Debatte aus.
Peter Thiel: Der Strippenzieher hinter der Trump-Regierung
Peter Thiel ist eine der einflussreichsten und umstrittensten Figuren im Silicon Valley. Als Mitbegründer von PayPal und der Datenanalysefirma Palantir Technologies, einer Überwachungstechnologie, die auch bei der Polizei in Hessen und Bayern verwendet, hat er ein Vermögen von rund 27 Milliarden Dollar aufgebaut. Seine libertären Ansichten und sein Glaube an technologische Innovation als Lösung für gesellschaftliche Probleme sind die Grundpfeiler seiner Ideologie.
Thiels Rolle in der US-Politik ist eng mit der Amtszeit von Donald Trump verbunden. Er war einer der wenigen prominenten Tech-Figuren, die Trump bei seiner ersten Kandidatur im Jahr 2016 unterstützten und sprach auf dem Republikanischen Nationalkonvent.
Auch wenn er 2024 keine direkten Spenden an politische Kandidaten leistete, hat er Vize-Präsident JD Vance hinter den Kulissen als Nachfolger von Trump in Stellung gebracht, der Trump beerben könnte. Diese Verbindungen zeigen, wie Thiel seine ideologischen Überzeugungen in die höchsten Ebenen der US-Regierung einbringt und immer mehr an Einfluss gewinnt.
Thiels jüngste Äußerungen vor dem Hintergrund des wachsenden christlichen Nationalismus in den USA und der zunehmenden Debatte über die Regulierung von KI sind von besonderer Bedeutung. Indem er Regulierungskritiker in einen religiösen „Gut-gegen-Böse“-Kontext stellt, versucht er, die technologische Innovation als eine Art religiöse Pflicht zu positionieren. Dies könnte den Widerstand der Tech-Industrie gegen staatliche Aufsicht weiter verstärken und die ohnehin schon hitzige Debatte um KI-Governance zusätzlich polarisieren.
Diese Entwicklungen zeigen, wie brandgefährlich die Technologie wirklich ist und welche Konsequenzen es für uns alle haben könnte, wenn religiöse Eiferer die Kontrolle über unsere intimsten Gedanken übernehmen, die wir jeden Tag freiwillig in Chatbots eintippen.