Blogs sind tot: Warum Blogs heute nicht mehr funktionieren

Es gab eine Zeit, in der Blogs das Nonplusultra im Internet waren. Jeder, der etwas zu sagen hatte – oder glaubte, etwas zu sagen zu haben – eröffnete einen Blog. Doch diese Zeiten sind lang vorbei. Der Begriff ist hingegen nicht totzukriegen. Zeit, ihn zu beerdigen.

Die Anfänge der Weblogs

Das Bloggen war einmal revolutionär: Es ermöglichte Menschen, ihre Gedanken, Meinungen und Erfahrungen mit der Welt zu teilen, ohne die Hürden eines Verlags, Redakteurs oder gar einer Zeitung durchlaufen zu müssen. Doch das ist gut 25 Jahre her.

Weblogs, wie sie ursprünglich hießen, tauchten Ende der 1990er-Jahre auf. Das Wort “Weblog” ist eine Mischung aus „Web“ und „Log“, also einer Art digitales Tagebuch oder Journal. Der Begriff wurde 1997 vom amerikanischen Blogger Jorn Barger geprägt, der mit seiner Website „Robot Wisdom“ die ersten Weblinks kommentierte.

Der Blog als Format entstand also aus dem Bedürfnis heraus, Informationen zu kuratieren und mit persönlichen Kommentaren anzureichern. Es war eine Phase, in der das Internet ein sehr textlastiger Ort war. Video- und Bildplattformen wie YouTube und Instagram gab es noch nicht, und Blogs boten Raum für lange Gedankenstränge, Analysen und persönliche Einblicke.

Ich selbst gründete 1998 einen der ersten Musikblogs überhaupt: unter www.tonspion.de stellte ich mit einigen befreundeten Musiknerds neue Musik über kostenlose MP3 Downloads vor. Der erste MP3-Blog war aus der Not heraus geboren, dass Musik zwar online gehört werden konnte, es aber noch keine legalen Angebote gab. Tonspion funktionierte so, dass Künstler einzelne Songs kostenlos im Netz veröffentlichten, um damit für ihre Tonträger zu werben, die man damals noch bei WOM oder Schallplattenläden kaufte.

Mit der Jahrtausendwende begann die “Blogosphäre” regelrecht zu explodieren. Dienste wie Blogger.com und später WordPress erleichterten das Erstellen von Blogs, und immer mehr Menschen, ob Journalisten, Autoren, Wissenschaftler oder Hobby-Köche, starteten ihre eigenen Weblogs. Zu den bekanntesten frühen Blogs gehören „Boing Boing“ und „The Huffington Post“, die beide den Grundstein für kommerziellen Erfolg und journalistische Integrität im Bloggen legten.

Bald wurden Blogs in ihrer Vielfalt so bunt wie das Internet selbst: Technik-Blogs, Reiseblogs, Food-Blogs, persönliche Tagebücher, politische Kommentare – alles fand seinen Platz in der Blogosphäre.

Die Struktur des klassischen Blogs

Das typische Format eines Blogs war simpel: Regelmäßig verfasste Artikel, die in umgekehrter chronologischer Reihenfolge auf einer Website veröffentlicht wurden. Die Beiträge konnten alles sein, von kurzen Notizen bis hin zu langen, ausführlichen Essays. Kommentare und Diskussionen unter den Beiträgen gehörten oft zum Konzept dazu und ermöglichten den Austausch zwischen Blogger und Leserschaft.

Die Themenvielfalt war grenzenlos. Manche Blogs hatten einen klaren Nischenfokus – etwa Technik oder Politik –, andere behandelten einfach die persönlichen Erlebnisse des Autors. Auch berühmte Schriftsteller experimentierten mit dem Blogformat wie z.B. J.K. Rowling oder George R.R. Martin.

Entscheidend war und ist die Person hinter dem Blog: Das Bloggen war persönlich, direkt und oft authentischer als das, was man in den traditionellen Medien fand. Unternehmensblogs waren ein sehr kurzfristiger Irrweg: niemand interessiert, was ein Unternehmen “denkt”. Alle wissen, dass Unternehmen einfach nur Werbung machen wollen. Das konnte man den Bloggern nicht unterstellen.

Der Umbruch: Die Ära der Social-Media-Revolution

In den späten 2000ern veränderte sich das digitale Kommunikationsverhalten dramatisch. Plattformen wie Facebook und Twitter drängten auf den Markt. Und sie hatten einen entscheidenden Vorteil: auf den sozialen Netzwerken konnte man sich Follower aufbauen und die Reichweiten schnellten bei besonders populären “Influencern” schlagartig in die Höhe.

Die sozialen Medien entwickelte sich rasch zu Plattformen, auf denen man Meinungen, Inhalte und Informationen nicht nur konsumieren, sondern auch produzieren und mit den Lesern diskutieren konnte – und das mit deutlich weniger Aufwand als beim Bloggen.

Während ein Blogbeitrag oft ein sorgfältig verfasster Artikel war, der Recherche und Zeit erforderte, boten Twitter und Facebook eine schnelle Alternative: Ein paar hundert Zeichen auf Twitter, ein kurzer Post auf Facebook – fertig war der Inhalt. Die Interaktion war sofortig, das Feedback direkt. In dieser Geschwindigkeit und Zugänglichkeit lag der entscheidende Vorteil von Social Media gegenüber dem Bloggen.

Zunächst diente Social Media den bekannten Bloggern noch dazu, ihre Blogbeiträge zu verlinken, doch die Algorithmen von Facebook, Twitter und Co. honorierten verlinkte Beiträge noch nie. Blogs hatten – anders als Social Media – von Anfang an ein großes Problem: sie generierten keine Reichweite. Selbst bekannte Blogger erreichten nur sehr wenige Menschen mit ihren Beiträgen, weder auf Google noch in klassischen Medien spielten Blogs je eine nennenswerte Rolle.

Zahlreiche prominente Blogger verlagerten ihre Aktivitäten bald vollständig auf Twitter oder andere soziale Plattformen. Twitter erwies sich als besonders geeignet für politische und gesellschaftliche Diskussionen mit seiner Kommentarfunktion, während Instagram das Medium der Wahl für Lifestyle- und Beauty-Themen wurde.

„Influencer“ war das neue Schlagwort: Personen, die früher als Blogger ihre Meinung verbreiteten, taten dies nun als Social-Media-Persönlichkeiten, die auf schnellen Austausch und hohe Reichweiten setzten. Viele der ehemaligen Blogger wie Sascha Lobo haben inzwischen Podcasts als Medium entdeckt und veröffentlichen ihre Beiträge in den großen klassischen Medien von Zeit bis Spiegel, die heute mehr Reichweite denn je haben und die alle relevanten Blogger früher oder später zu sich holten, um ihre Texte einem größeren Publikum zugänglich zu machen.

Warum Social Media Blogs den Rang abgelaufen hat

Der Hauptgrund für den Erfolg von Social Media gegenüber klassischen Blogs ist die Interaktivität und das Tempo. Blogs boten zwar eine Plattform für detaillierte Meinungen und Analysen, doch in der heutigen Welt wollen die Menschen schnell konsumierbare Inhalte. Lange Texte und tiefe Analysen, wie sie Blogs oft boten, sind zu aufwändig geworden – sowohl für den Leser als auch den Autor. Social Media bietet hingegen die Möglichkeit, in Echtzeit zu kommunizieren und sofort auf aktuelle Themen zu reagieren. Das erzeugte riesige Reichweiten für viele Posts, während die Blogs auch daran scheiterten, dass sie mangels Reichweite nicht vermarktbar waren. Blogs waren schon immer ein Hobby. Es gibt de facto heute keine großen Blogs mehr, die nicht maßgeblich von riesigen Social Media Accounts betrieben werden. Für alle anderen lohnt sich der Aufwand schlicht und ergreifend nicht.

WordPress: Vom Blog-Tool zum CMS für Unternehmen

Früher war WordPress die Plattform der Wahl für Blogger. Mit nur wenigen Klicks konnte man einen eigenen Blog starten und seine Gedanken der Welt mitteilen. Doch auch hier hat sich viel verändert. WordPress ist längst nicht mehr primär ein Werkzeug für Blogger, sondern ein umfangreiches Content-Management-System (CMS), das vor allem von Unternehmen genutzt wird, um ihre Websites zu betreiben.

Im Jahr 2024 gibt es weltweit rund 835 Millionen Webseiten, die auf WordPress laufen. Dies entspricht etwa 43 % aller Websites im Internet. Diese Zahl zeigt, dass WordPress weiterhin die dominierende Plattform für Content-Management-Systeme (CMS) bleibt, mit einem Marktanteil von über 64 % im CMS-Bereich​. Das heißt aber nicht, dass es ebenso viele Blogs gibt, wie es manchmal behauptet wird.

Die Plattform wird heute kaum mehr für Blogs verwendet, sondern hat sich zu einem flexiblen Tool entwickelt, das sowohl für Websites als auch für große E-Commerce-Plattformen genutzt wird. Vor allem durch Plugins wie WooCommerce ist WordPress auch im Online-Handel stark vertreten und unterstützt Millionen von Shops.

Der klassische Blog hingegen ist zu einer Nebenfunktion geworden – wenn überhaupt noch vorhanden. Die meisten Unternehmen, die WordPress heute nutzen, verwenden “Blogs” lediglich als Ort für SEO-Texte. Mit dem klassischen Blog-Format hat das allerdings gar nichts mehr zu tun. Ganz im Gegenteil: SEO funktioniert nicht mit seriellem Publizieren, sondern mit langfristig relevanten, hilfreichen Inhalten. Statt die subjektive Meinung des Autors steht heute das Interesse der Leser im Vordergrund von Texten für Suchmaschinen. Deshalb ist der Begriff “Blog” heute nicht mehr zeitgemäß und sollte heute besser “Ratgeber”, “Magazin” oder “Wissen” genannt werden, um Missverständnisse zu vermeiden. Dass auch dieser Beitrag noch in einem Verzeichnis namens “Blog” erscheint hat rein historische Gründe. Man hat es damals einfach so genannt, selbst, wenn es eigentlich noch nie ein Blog war.

Blogs sind tot.

Natürlich gibt es immer noch “richtige” Blogs. Manche Blogger halten tapfer an ihrem Medium fest, pflegen ihre Nischen und haben eine treue, wenn auch oft kleine Leserschaft. Es gibt auch noch liebevoll gedruckte Print-Magazine oder Fanzines. Oder Vinyl-Schallplatten-Sammler. Noch heute betreibt Nick Cave mit seinen Red Hand Files einen der besten und persönlichsten Blogs überhaupt. Und da er Millionen Fans in aller Welt hat, erreicht er damit immer noch sehr viele Menschen.

Aber im großen und ganzen sind Blogs heute nur noch eine absolute Randerscheinung – und alles andere als ein Marketinginstrument. Was früher als revolutionäre, demokratisierende Kraft im Internet gefeiert wurde, ist heute als Kulturtechnik weitgehend verschwunden.

Das Bloggen, so wie wir es vor 20 Jahren kannten, ist tot. Die damaligen Blogger sind weitergezogen. Geblieben sind professionelle Plattformen, die WordPress nutzen, während die klassischen Blogger zu Influencern und Social-Media-Stars geworden sind. Was einst die Revolution des Schreibens und Publizierens war, ist heute eine weitere, überholte Station in der Geschichte des Internets. Blogs waren nur die Vorläufer der sozialen Netzwerke, die nun ihrerseits wieder auf dem absteigenden Ast sind. Blogs haben zwar den Weg für die demokratische Verbreitung von Meinungen geebnet, doch heute dominieren Algorithmen, Likes und kurze, schnelle Inhalte unsere digitale Welt.

P.S. Tonspion gibt es auch heute noch, 25 Jahre später. Allerdings bezeichnen wir ihn längst nicht mehr als Blog und auch MP3 spielen heute gar keine Rolle mehr. Tonspion ist erwachsen geworden, ein ausgewachsenes Musikmagazin mit weitaus mehr Reichweite als je ein Blog in Deutschland hatte.

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